Abstracts

Dr. Kyung-Ho Cha (Universität Bayreut): Akzelerierte Subjektivität. Politische Anthropologie und ästhetische Gattungstheorie bei Ernst Jünger

Die Utopie einer „Einheit von organischer und mechanischer Welt“ zieht sich durch das Werk Ernst Jüngers. Innerhalb der „organische[n] Konstruktion“ der Gesellschaft soll die Unterscheidung von Technik und Natur eines Tages vollständig aufgehoben werden. Mit dem Begriff des „Arbeiters“ bezeichnet Jünger einen neuen Typus von Mensch ohne Individualität, der Teil eines kollektiven Systems ist, das mit elektrischen Schaltsystemen verglichen wird. Im Mittelpunkt seiner avantgardistischen Theorie steht die Vorstellung der Akzeleration. Die „Bewegung“ und der „Prozeß der Mobilmachung“ erfordert vom Menschen eine immer schnellere Lebensweise, die nur durch die Inkorporation der Technik erreicht wird.

Der Vortrag geht der Bedeutung der Kunst und insbesondere die Literatur in Jüngers Texten für die „Gestaltung der Arbeitswelt“, in der die besagte „Einheit von organischer und mechanischer Welt“ erreicht werden soll, nach. Im Mittelpunkt stehen seine Essays (Der Arbeiter, Die totale Mobilmachung, Das abenteuerliche Herz, Sprache und Körperbau, Das Sanduhrbuch, Der Weltstaat) und sein Roman Gläserne Bienen.

Die „Kunstgattungen“ nehmen eine eminent wichtige Stellung in seiner Theorie der Moderne ein, weil die von ihm favorisierten Gattungen die kollektive Subjektivität des Arbeiters produzieren, in der organische und technische Welt vereint werden sollen. Hieraus erklärt sich auch Jüngers Ablehnung der Gattung des „bürgerlichen Romans“ und der Kunstform des „Theaters“, die seines Erachtens auf den liberal-demokratischen Vorstellungen von der Autonomie des Subjekts und vom Gesellschaftsvertrag beruhen. Diese traditionellen Kunstgattungen sollen durch die „im engen Zusammenhange mit der Arbeit“ stehenden neuen „Kunstgattungen“ wie dem „Kursbuch“, der „Fotografie“, dem „Film“ sowie der „Bildhauerei“, der „planmäßige Landschaftsgestaltung“, dem „Wohnungsbau“, dem „Siedlungswesen“ und dem „Städtebau“ ersetzt werden. Diese Gattungen stiften eine anthropologisch-technologische Beziehung zwischen Körper und Technik. Die Revolution von Staat und Gesellschaft geht bei Jünger also Hand in Hand mit der Revolution des Gattungssystems.

Die Leitthese des Vortrags lautet, dass Jünger diese neuen Gattungen vorzieht, weil es sich bei ihnen – im Gegensatz zu den bürgerlichen Gattungen – um intermediale und multimodale Gattungen handelt, bei denen sprachliche, körperliche, bildliche und musikalische Zeichen parallel verwendet werden. Diese neuen Gattungen zielen auf die Produktion einer transmedialen kollektiven Subjektivität, die mit großer Geschwindigkeit an unterschiedlichen Medien partizipieren kann. Diese transmediale Subjektivität ist die des modernen Subjekts, das imstande, verschiedene Technologien zu inkorporieren.

Der Vortrag orientiert sich methodisch an der medientheoretischen und wissensgeschichtlichen Gattungstheorie (Frow, Michler u.a.), der inter- und transmedialen Medientheorie (Jenkins, Rajewski, Ryan, Thon u.a.) und zieht Konzepte aus der Netzwerkwerktheorie Latours und Haraways Cyborg-Theorie heran. Die Argumentation gliedert sich in drei Abschnitte: Erstens wird untersucht, wie Jünger die Gattungen hinsichtlich der durch sie dargestellten und performativ hervorgebrachten Einheit von organischer und mechanischer Welt unterscheidet. Zweitens wird die literarische Form von Jüngers eigenen Texten analysiert. Das Hauptaugenmerk gilt dabei den sich vermischenden Gattungen des Essays und des Science Fiction. Im abschließenden dritten Teil wird Jüngers avantgardistische Theorie der Moderne mit der Theorie des Akzelerationismus verglichen, die in einem politischen Gegensatz zu ihr steht.

 

Dr. Cyril de Beun (University of Leuven): Organitechnische Hybride in der Literaturtheorie: Das produktive Spannungsverhältnis zwischen Rhetorik und Interdiskursivität

Organitechnische Hybride gelten als konstitutives Merkmal der Interdiskursanalyse. Diese Theorie orientiert sich an der großen Zunahme unterschiedlicher Spezialdiskurse und deren vorrangig literarischer Verkopplung zu Interdiskursen seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts. Um diese Zeit wurden technologische Diskurse dominant, aber sie sahen sich zugleich mit länger existierenden organischen und neuen biologischen Diskursen konfrontiert. Die zunehmende Relevanz sogenannter interdiskursiver Verfahren hängt also eng mit dem Aufstieg organitechnischer Hybride zusammen. Die Interdiskursanalyse selbst, die erst in den 1970er Jahren von Jürgen Link entwickelt wurde, hat sich für die Analyse solcher Verfahren zum Teil von der Rhetorik inspirieren lassen. Sie zieht dazu die Rhetorik als Spezialwissensbereich heran, dem sie Topoi und andere strukturierende Merkmale entnimmt. Gleichzeitig kann man nicht umhin, dass die Rhetorik als kulturübergreifendes System der Jahre vor 1800 nicht mehr imstande war, die diskursive Vielfalt nach 1800 weiterhin zu integrieren. Dazu war das flexiblere Verfahren der Interdiskursivität viel besser geeignet. Es soll hier das teilweise konfliktgeladene und von der Forschung vernachlässigte Verhältnis zwischen Rhetorik und Interdiskursanalyse untersucht werden, wobei das Organitechnische – als Verschränkung zweier Spezialdiskurse – in zweierlei Weise von Relevanz sein wird: (1) als diskursive Konstellation der Literatur nach 1800, der vor allem in der Interdiskursanalyse große Aufmerksamkeit geschenkt worden ist; (2) als konstitutives Merkmal der Literaturtheorie selbst, anhand dessen sich das Spannungsverhältnis zwischen Interdiskursanalyse und neueren Rhetoriktheorien beschreiben lässt. Ein exemplarischer Fall ist hier der von der Interdiskursanalyse appropriierte, ursprünglich rhetorische Topos der Katachrese. Zum Schluss sollen die epistemologischen Konsequenzen solcher literaturtheoretischen Spannungen in den Blick genommen werden.

 

Prof. Dr. Sebastian Donat (Innsbruck):Urei, Garstiges Gezücht und Emporsteigerung: Organische und technische Perspektiven auf Überlagerungen und Wechselwirkungen bei Goethe und anderswo

Der Beitrag nimmt seinen Ausgangspunkt bei einem an der Physik orientierten literaturwissenschaftlichen Konzept von Interferenz, wie es jüngst vorgestellt und ansatzweise erprobt worden ist (vgl. Donat u.a. (Hg.) 2018). Von da aus werden Streiflichter auf die Begriffs- und Sachgeschichte geworfen, und zwar insbesondere dort, wo es zu Kombinationen organischer und technischer Bildbereiche gekommen ist (z.B. Raßloff (Hg.) 2013, Serres 1987 u. 1992).

Besondere Aufmerksamkeit wird Goethe gewidmet, in dessen Schriften sich mit der vehementen Ablehnung von Überlagerungen im Bereich der Parodie einerseits (vgl. Goethe 1824) und seiner enthusiastischen Wertschätzung vergleichbarer Prozesse bei anderen Formen der Wechselwirkung (vgl. Goethe 1821 u. 1823) andererseits ein spannungsreiches begriffliches, konzeptionelles und axiologisches Spektrum entfaltet.

 

Prof. Dr. Lars Koch (TU Dresden): Ernst Jüngers „Organische Konstruktion“. Beobachtungen zu einem Paradigmenwechsel des Heldischen in den Materialschlachten des Ersten Weltkriegs

Der Vortrag untersucht anhand der Kriegsschriften Ernst Jüngers das soldatische Imaginäre technoorganischer Hybridisierung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Konkret geht es um die Frage, auf welchen Erfahrungsdruck Jüngers Konzept der „organischen Konstruktion“ reagiert, welche politischen Implikationen sein Embodiment der Gegenmoderne aufweist und welche Umbauten in semantischen Repertoire des Heroischen damit verbunden sind.

 

Assistant Professor Dr. Teresa Kovacs (Indiana University, Bloomington): On Blasphemy, Irony, and Replication: Reading Christoph Schlingensief through the Cyborg

Schlingensief is obsessed with machines: they are present in titles (Mensch vs. Maschine), in concepts (the Animatograph as Life Machine), and as actual objects haunting the human performers and audience (be it the bullhorn or the circulating platform).

I argue, that reading Schlingensief’s works through Donna Haraway’s Cyborg helps us to better understand the multiple layers of his machine-aesthetic. It allows us to understand that in Schlingensief we are no longer confronted with human actors and actresses, but multi-species performers that transgress conventional boundaries between human, animal, and machine.

In this talk, I will focus on Schlingensief’s work with marginalized bodies (be it sick, disabled or racialized bodies) and show how we can better understand them through the Cyborg. Here, I seek to show that his performers are a “hybrid of machine and organism, a creature of social reality as well as a creature of fiction.” Moreover, Haraway’s Cyborgs are monstrosities and beasts ­– Schlingensief’s pleasure in horror can thus too be understood differently if we start to link it with a Cyborg-thinking. Finally, my talk will use the strategies of blasphemy, irony, and replication as introduced by Haraway in her A Cyborg Manifesto to talk about Schlingensief’s specific artistic practice.

 

Dr. Aleksandra Lévy-Lendzinska (Universität Paris-Créteil): Eine biopolitische Annährung an die contrainte (Formzwang) von Oskar Pastior

«Man sagt zwar weiter DER oder DIE, wie man auch der Kamm oder die Baracke sagt. Und so wie diese sind auch Halbverhungerte nicht männlich oder weiblich, sondern objektiv neutral wie Objekte-wahrscheinlich sachlich». Herta Müller, Atemschaukel.

Die Atemschaukel (2009), ein noch wenig erforschter Romanüber das Lagerleben des jungen Leopold Aubergs, der auf der authentischen Erfahrung im Gulag des 2006 verstorbenen Poeten und Oulipianers Oskar Pastior aufbaut und für die Verleihung des Nobelpreises an Herta Müller 2009 keine unwesentliche Rolle gespielt hat, näher untersucht werden. Dabei kommt dem Formzwang (contrainte), einer literarischen Schreibweise, die, -hier unsere These-, nicht frei gewählt, sondern gewissermaßen durch den politischen Zwang im Lager dem Poeten Oskar Pastior auferlegt worden ist.

Der Formzwang, das Palindrom, eines der wesentlichen Formzwänge von Oskar Pastior, erscheint in der Atemschaukel als Wortpalindrom: Arbeitszwang-Zwangsarbeit. Die literarische Verarbeitung der Lagererfahrung durch das Palindrom geht unseres Erachtens auf die Konditionierung des Körpers durch die schwere Arbeit und den Hunger im Lager zurück. Der Mensch im Lager, so wie das obige Zitat anklingen lässt, ähnelt einem Muselmann, mit dem Giorgio Agamben die Biopolitik als nacktes Leben im Konzentrationslager, der besitzlos und am Ende seiner Kräfte sich auf der Schwelle zwischen Leben und Tod bewegt, belegt. Die Zone der Ununterscheidbarkeit zwischen Ausschließung und Einschließung, bios und zoé wird durch das Palindrom, als eine Hin-und Herbewegung, ein va-et-vient, auf literarische Weise produktiv von Oskar Pastior aufgearbeitet, um sich von den Zwängen des Lagers zu befreien.

 

Nadine Lordick (TU Braunschweig): Maschinen der Hölle? Strafvorstellungen in Albers von Windberg ‚Tnugdalus‘

Die Visionsliteratur (Erzählungen von Seelen, die ins Jenseits entrückt werden) war im Mittelalter nicht nur beliebt, sie war konstitutiv für die eschatologischen Vorstellungen der Volksfrömmigkeit. Eine der beliebtesten Visionen des Mittelalters war die ‚Visio Tnugdali‘ aus dem 12. Jahrhundert,die in deutschsprachiger Bearbeitung durch Alber von Windberg vorliegt. Die Hölle erscheint hier geradezu technisiert: Die Strafen, die Tnugdalus beobachtet, arbeiten mechanisch, sind rein zweckgerichtet und stellen in ihren repetitiven Bewegungsdurchläufen sicher, dass die Strafe, die die Seelen empfangen, immer identisch ist – ganz wie Maschinen. Neben Straforten, an denen Feuer und Eisen als Elemente vorherrschen (bspw. eine Eisenscheibe, durch die die Seelen ‚hindurchtropfen‘, bevor sie sich wieder zusammensetzen und erneut hinauf geworfen werden), finden sich auch Ungeheuer – also Lebewesen – als Straforte, die ein rein ‚maschinelles‘ Dasein führen (bspw. ein Ungeheuer, das Seelen frisst, sie gebiert, erneut frisst etc.). Das Organische wird dabei mit dem Anorganischen, z.B. Eisen und Blei, hybridisiert, um die Strafen effizienter zu machen.

Im Text selbst finden sich keine expliziten Hinweise darauf, dass die Hölle als ‚technisch‘ konzeptualisiert ist; das Mechanische und Maschinenhafte der Strafen erscheint dennoch evident. Das ‚Mechanisch-Organische‘ der Hölle scheint aufzuzeigen, was in späterer Literatur virulent wird: Das Technische als das Prekäre, Unheimliche, Dämonische. In meinem Beitrag möchte ich diesen Assoziationen zwischen dem Technisch-Organischem als dem ‚Dämonischen‘ in der ‚Visio Tnugdali‘ nachgehen.

 

Barbara di Noi (Università Degli Studi di Firenze): Organismus und Maschinerie in Benjamins Passagen-Werk

Im Passagen-Werk setzte sich  Benjamin zur Aufgabe, eine „Summe der Urgeschichte des 19. Jahrhunderts“ vorzulegen. Bereits in dem 1935 verfassten Exposé betonte Benjamin, wie in dem Traum, in dem „jeder Epoche die ihr folgende vor Augen tritt“, Urgeschichte und Zukunft “vermählt” erscheinen.  Durch ein solches Verhältnis von Urvergangenheit und Utopie zeichnet sich Fouriers Auffassung durch, deren innerster Anstoß im Auftreten der Maschinen liegt. Die komplizierte Organisation der phalanstère, die den Menschen zur Überwindung der alten Moral verhelfen soll, erweist sich als Maschinerie, in der passions mécanistes mit der passion cabaliste ineinander verzähnt sind. In dem Baudelaire-Aufsatzentspricht der Gegensatz Mechanisches versus Organisches dem Dualismus von Allegorie und Theorie der Correspondances. Wie aber Allegorie und Correspondance in Baudelaires Dichtung nicht voneinander zu trennen sind, sondern sich als Extreme einer nicht zu stabilisierenden Polarität erweisen, ebenso sind Natur und Technik nicht eigentlich voneinender zu trennen; der Beweis dafür erkennt Benjamin in der Fuahgkeit der Kinder, das Neue zu erkennen. Die Tatsache, dass die Kinder von den letzten Errungenschaften der Technik so fasziniert sind, zieht Benjamin als Beweis heran, dass die reaktionäre Denker wie Klages eine falsche Antithese zwischen dem Symbolraum der Natur und der Technik sich aufzustellen bemühen. Auch das Phänomen der Mode unterminiert diese Antithese: Benjamin  bringt sie in Verbindung mit der Architektur der Passagen und der Prostitution; die letzte versteht er als Phänomen, von der Großstadt nicht zu trennen ist: erst durch die Mode wird eber das weibliche Leib zur Ware arrangiert. Die Mode arrangiert den lebendigen Organismus zur Ware, zum toten Ding. Sie ist “die Parodie der bunten Leiche, Provokation des Todes durch das Weib [...] Zwisprach mit der Verwesung” (PW I, 111).  Auch in diesem Fall fehlt es nicht an  Verbindungslinien zum Baudelaire-Abschnitt: Baudelaires Fetischismus hat einerseits mit seiner Impotenz zu tun, andererseits ist er Ausdruck des Verrufs, der bei ihm die Welt des Organischen betroffen hat. Fetischismus und Sadismus hängen einerseits mit der Theorie de l’art pour l’art zusammen; andererseits äußert sich darin die Neigung, den lebendigen Organismus als toten Mechanismus zu betrachten. Die Machinerie liegt schießlich auch der Kosmologie von Blanqui, L’éternité par les astres zugrunde. Bilder sind nach Benjamin Dialektik im Stillstand. Im Bild  des Automaten der vorm Eingang der Passage, der Eisbahn usw „unseren namen stanzt“ eine alte, sogar mythische Schwellenkunde. In Form von mechanischen Wahrsagern  kehren die alten Hüter der Schwelle wieder.

 

Dr. Alessia Pannese (University of Oxford): The paradigm of automaticity in German biophysics and philosophy

My paper explores affinities and contrasts between physiological and philosophical outlooks on th human self-regulation, as they arose within 19 -century German scientific and philosophical communities. th The 19 -century advances in physiology (e.g. discovery of the autonomic nervous system) brought growing awareness of the central role of automaticity in human self-regulation. In the German context, interest in automaticity in self-regulation intersected the rise of biophysics – organische Physik –based on work by Carl F. W. Ludwig, Emil du Bois-Reymond, Ernst W. von Brücke, and Hermann L.F. von Helmholtz. The so-called 'Group of 1847' rejected the (at the time prevailing) notion that animate beings operate according to vital principles (i.e. 'vitalism'), and instead sought to explain biological functions through the same physical and chemical laws as the rest of nature (i.e. mechanism). Based on this contrast, some have suggested that differences between 'vitalistic' and 'mechanistic' approaches in science might be related to differencesinphilosophicaloutlooks. Takingtheleadfromthistension,mypaperwillexamine ways in which the biophysical understanding of self-regulation, as an automatic function built into th living organisms, fed into the 19 -century philosophical (especially epistemological) concerns, in a time of transition between the idealistic and rationalist legacies of Leibniz, Kant, and Hegel, and the new materialistic approach that applied scientific methods to the study of the human experience. I will argue that the discovery of automatic self-regulatory mechanisms (independent from th volition and awareness) challenged and destabilised the 19 -century distinction between human and machine, as this was based on the problematic assumption of their functioning (the latter) or not (the former) according to mechanical principles. I will further suggest that a critical analysis of th the ways in which the human-machine boundary was challenged and redefined by 19 -century organische Physik offers a critical perspective on ways in which this same boundary is currently st being challenged by the 21 -century rise of artificial intelligence, and its increasing absorption within contemporary human society.

 

Dr. Tanja Prokic (TU Dresden): Gestalt und Wahnsinn. Diagrammatisches Vorleben

Von Darwin über Nietzsche zu Mach und Warburg, Benjamin und Musil soll der Weg zu Gilles Deleuzes Diagrammatik, bzw. der Defiguration, wie er sie in seinem Bacon-Buch entwickelt, skizziert werden. Die Spannung zwischen Figuration und Defiguration, die Charles Darwin mit seinem Evolutions-Diagramm offenlegt, betrifft die Spannung zwischen Begriff und Anschauung. Erst durch sein Diagramm kann er denken, was er weder begrifflich noch in der Anschauung zu fassen vermag. Da, wo der Begriff dasjenige, was sich der menschlichen Anschauungskraft entzieht, nicht „festzuhalten“ vermag, kommt die Diagrammatik ins Spiel. Sie ist die Vermittlung des Sinnlichen mit unsinnlichen Mitteln; sie verhilft zur Anschauung. Darwin nutzt die Diagrammatik intuitiv, eine Reflexion seiner Denkpraxis bleibt aus.

Erst Ernst Mach, Gründungsfigur der späteren Gestalttheorie interessiert sich für solche Phänomene der Gestaltwahrnehmung und die Frage, wann selbige an ihre Grenzen gerät, weil das Wahrzunehmende zu komplex für die apperzeptive Wahrnehmung des menschlichen Apparats ist. Immer wieder kreist er in seinen mechanischen Experimenten um die Frage, wie dasjenige, was sich der Sichtbarkeit und der Wahrnehmung (bisher) entzieht, empirisch positivierbar und damit beweisbar ist. Seine Experimente kreisen um eine Art experimentelle Translatio, ganz wie die Experimente Mareys in Paris. Fast schon quer dazu liegen die experimentellen Bemühungen Nietzsches, Warburgs, Musils oder Benjamins. Sie alle befassen sich zwar auch mit einer Sichtbarmachung des Unsichtbaren. Doch geht es ihnen um eine quere Praxis, die ich als diagrammatisches Vorleben bezeichnen möchte. Sie stehen an einer Grenze zur Kulturwissenschaft als Organitechnoscience avant la lettre, indem sie sich an einer Synthetisierung von techné und physis versuchen, und zwar in einer reflexiven Praxis. Technisches Wissen wird hier mit biologischem Wissen hybridisiert, die Grenzen zwischen den Disziplinen, zwischen Ästhetik und Wissenschaft, zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Natur und Kultur werden in ihrer Praxis der De/Figuration durchlässig. Es scheint als treiben sie die Gestalt zum Wahnsinn, um die Grenzen des Denkens aufzusprengen und nach neuen Möglichkeiten des Denkens zu suchen. Im Vortrag soll das diagrammtische Vorleben an Beispielen aus Literatur, Theorie, Graphik aufgezeigt werden und seine Anknüpfungsmöglichkeiten für eine Neue Diagrammatik aufgezeigt werden.


Alexander Waszynski (Erlangen/Braunschweig): Wortvereine. Jean Pauls Umsetzung des Mensch-Maschine-Diskurses

Jean Paul hat den Mensch-Maschine-Diskurs derart in die Sprache verlagert, dass – ehe ein Verhältnis von Mensch und Maschine theoretisch figuriert werden kann – die Zusammenfügung der Wörter auf der einen, die Zusammenkunft der Schreibenden mit den Lesenden auf der anderen Seite problematisch wird. Dies betrifft den Ansatzpunkt des Diskurses selbst, etwa hinsichtlich seiner historischen Situiertheit, der Bedingungen des Publikationsapparats und Eigendynamiken der Sprache. Der Vortrag diskutiert diese ‚Umsetzung‘ anhand der frühen Satire „Der Maschinen-Mann nebst seinen Eigenschaften“, abgedruckt in Auswahl aus des Teufels Papieren (1789), und des in Briefform gehaltenen Traktats über die „Doppelwörter“ (1818/9).

 

Dr. hab. Katarzyna Więckowska (Uniwersytet Mikołaja Kopernika w Toruniu): Hybridizations: Texts and Lifeworlds

In Staying with the Trouble, Donna Haraway writes that “we live in disturbing times” when the “task is to become capable […] of response,” that is, of “learning to be truly present, not as a vanishing pivot between awful or edenic pasts and apocalyptic or salvific futures, but as mortal critters entwined in myriad unfinished configurations of places, times, matters, meanings” (2016: loc. 371-376). For Haraway, science fiction plays a key role in this confrontation with the present and the ensuing assumption of responsibility, since it functions as “a method of tracing, of following a thread in the dark, in a dangerous true tale of adventure, where who lives and who dies and how might become clearer for the cultivating of multispecies justice” (2016: loc. 403). In this essay, I take Haraway’s comments as a starting point to explore the ways in which literature and literary theory may become a medium of “cultural ecology” and provide “a site of critical self-reflection of modern civilization as well as a source of creative cultural self-renewal” (Zapf 2016: 4). Focusing on hybridization dynamics and the relations between technology and organism, and nature and culture in Jeanette Winterson’s The Stone Gods (2005) and Frankissstein (2019), I point to some of the ways in which literary fiction creates the space for unexpected and unfinished configurations imagined by Haraway. It is by constructing “a mosaic of open-ended assemblages of entangled ways of life, with each further opening into a mosaic of temporal rhythms and spatial arcs” (Tsing loc. 247) that literature and literary theory not only reflect to us our precarious present, but also help us imagine “a livable future for human and nonhuman life on the planet” (Zapf 2016: 59).

Online user: 14 Privacy
Loading...